| |
Umfrage unter Medizinstudenten in Deutschland
zum Thema:
Medizinischer Arbeitsmarkt und Internet
(Kurzfassung, abstract)
Flensburg, im Mai 1996
Die Umfrage wurde im Dezember 1995 in
schriftlicher Form an allen in Deutschland bekannten Fachschaften
der Medizin durchgeführt. Medizin in diesem verwendeten Sinne
bezeichnet Humanmedizin. Andere Fachrichtungen (Tier- und
Zahnmedizin als Beispiel) wurden nicht in die Analyse einbezogen.
Es handelte sich um ein Fragebogen mit geschlossenen Fragen, die
auch Ranking-Möglichkeiten vorsahen sowie offene Fragen, die
differenzierte Stellungnahmen zuliessen.
Ziel dieser Umfrage war es, Informationen über den medizinischen
Arbeitsmarkt zu erhalten und die "User"-Gewohnheiten
der Medizinstudenten bezüglich des Internets zu beleuchten.
Darauf aufbauend sollen Möglichkeiten entwickelt werden, das
Internet als Medium für diesen Arbeitsmarkt zu nutzen
(Bewerbung, Beratung,etc.). Die momentanen Möglichkeiten und
Risiken in dem Bereich "Medizin/Internet" , die in
dieser Studie angerissen werden sollen auch als
Entscheidungsgrundlage für Personalverantwortliche und
Personalberater dienen, das Internet als Instrument des
Personalmarketings zu verwenden.
An der Umfrage nahmen ausschliesslich Studenten
der Humanmedizin an deutschen Universitäten teil.
Berufsziel bei fast allen Umfrageteilnehmer: Arzt (klassischer
Arzt, niedergelassener Arzt)
Ein nicht signifikanter Teil gab Spezialrichtungen an (z.B. HNO,
Gynäkologie/Urologie).
Aus dieser Antwort lässt sich folgern, dass Medizinstudenten
noch eine sehr konservative und statische Berufsperspektive
haben. Herkömmliche Denkstrukturen über Berufsfelder können
dieser Einstellung zugrunde liegen. Es ist schon auffällig, dass
keine exotischen Berufsfelder (Unternehmensberater,
Gesundheitscoach in Unternehmen, etc.) genannt wurden.
Deutlich mehr als die Hälfte der Umfrageteilnehmer war männlich
(77 %).
Das Durchschnittsalter in der Umfrage lag bei 24,6 Jahren.
Die geringe Standardabweichung von 1,6 lässt auf ein sehr
homogenes Feld schliessen (bezüglich der Studiensituation)
schliessen. Auch bei der durchschnittlichen Semesterzahl von 8,1
bzw. der entsprechenden Standardabweichung von 1,5 ist eine hohe
Homogenität des Umfragefeldes feststellen. Aus diesem Grunde ist
bei Verallgemeinerungen der Ergebnisse auf die Gesamtheit der
Medizinstudenten entsprechende Vorsicht geboten.
In der ersten Frage sollten Informationen darüber gewonnen
werden, in welchen Bereichen Praktika/Famulaturen von
Medizinstudenten absolviert werden
Die Auswertung führt zu folgendem graphischen Ergebnis:
Chart 1, Verteilung von Praktika und
Famulatur nach Bereichen (auch Mehrfachnennungen möglich
Auffällig in dieser Auswertung ist, dass der Krankenhausbereich
einen hohen Stellenwert einnimmt. Dies ist deshalb nicht
verwunderlich, weil eine "Krankenhausstation" während
des Studiums quasi zum Pflichtprogramm gehört.
Keine Praktika werden in den Bereichen Pharmaindustrie und
kaufmännischer Bereich absolviert.
Die Rubrik "anderer Bereich" setzt sich ausschliesslich
aus Arztpraxen zusammen.
Bei der zweiten Frage wurde ein Ranking der Kontaktmedien
vorgenommen, die den Studenten für Praktika und Famulaturen
dienen.
Das Ranking wurde von 1 (hohe Wichtigkeit) bis 3 (geringe
Wichtigkeit) konstruiert. Im folgenden drei Charts, die jeweils
die Ergebnisse für eine Rankingstufe (1,2, oder 3) geben.
Chart 2, Kontaktmedien für Praktika
und Famulatur (Ranking mit 1)
Interessant bei dieser Auswertung ist, dass die "Mund zu
Mund Propaganda" und die Initiativbewerbungen einen hohen
Stellenwert einnehmen.
Es gibt demnach eine geringe institutionelle Struktur für die
Vergabe von solchen Plätzen. Deutlich wird auch, dass Zeitungen
bei Praktika und Famulatur keine Intermediärfunktion
übernehmen. Insgesamt ist dieser Markt von einer hohen
Eigeninitiative der Studenten gekennzeichnet.
Auch bei der graphischen Auswertung des Ranking mit 2 zeigt sich,
dass die Eigeninitiative einen hohen Stellenewert hat. Der Faktor
"Mund zu Mund" Propaganda nimmt den ersten Platz in
dieser Rankingstufe ein. Dies kann darauf hindeuten (auch wenn
man das Ranking mit 1 nochmals betrachtet), dass es in diesem
Bereich ein gut ausgebautes informelles Netzwerk gibt, welches
aus den universitären Kontakten im wesentlichen gespeist wird.
Chart 3, Kontaktmedien für Praktika und Famulatur
(Ranking mit 2)
Auch beim Ranking mit 3 ergibt sich erwartungsgemäss ein
ähnliches Bild. Hier überwiegt ebenfalls die Komponente
Eigeninitiative. Die Medien Fachzeitungen, regionale und
überegionale Zeitungen sowie Fachschaften spielen keine Rolle.
Wieder nimmt das Medium "Mund zu Mund
Propaganda" den höchsten Stellenwert ein.
Die graphische Auswertung führt zu folgendem Bild:
chart 4, Kontaktmedien für Praktika und Famulatur
(Ranking mit 3)
In der dritten Frage der Umfrage wurde nach den potentiellen
Kontaktmedien für den ersten Arbeitgeber gefragt.
Bei der Analyse der Antworten wird deutlich, dass auch hier die
Initiativbewerbungen den höchsten Stellenwert einnehmen. Auf dem
zweiten Platz landet der sogenannte andere Weg, eine Möglichkeit
also, die nicht im Fragebogen vorgegeben wurde. der andere Weg
setzt sich aus folgenden Möglichkeiten zusammen:
Graphische Auswertung der dritten Frage
Chart 5, Kontaktmedien erster Arbeitgeber
(Mehrfachnennungen möglich)
Auffällig ist, dass bei der Stellensuche (erster Arbeitgeber)
auf bekannte Intermediäre zurückgegriffen wird. Die Zeitungen
und insbesondere die Fachpublikationen nehmen hier einen grossen
Raum ein. Neben der Fachpublikation DÄB hat auch die FAZ einen
hohen Stellenwert als Kontaktmedium.
Der "andere Weg" nimmt hier die zweite Stelle ein.
Als Alternativen zu den vorgegebenen Möglichkeiten wurden
genannt:
Krankenhäuser anschreiben
Beziehungen (über Praktika,
Doktorarbeit)
Persönliche Kontakte, Vorstellungen
In der vierten Frage wurde nach der generellen
Einschätzung des Arbeitsmarktes für junge Mediziner gefragt.
Chart 6, Einschätzung des Arbeitsmarktes für
junge Mediziner
Signifikant bei diesem Chart ist, dass der
Arbeitsmarkt nicht ganz so schlecht von den Studenten
eingeschätzt wird, wie dies in der Öffentlichkeit publiziert
wird.
Die Zahl 3 bedeutet hier die Bewertung gut. Bei -3 hingegen ist
die Einschätzung sehr negativ. Bei 0 wird der Arbeitsmarkt
neutral eingeschätzt.
Die häufigsten Nennungen fielen auf die Bewertung Null. Es
handelt sich bei der weiteren Betrachtung um eine rechtsschiefe
Verteilung. Die Ausprägungen "links" des Mittelwertes
von 1 sind höher als die "rechts" des Wertes. Daraus
lässt sich folgern, dass tendenziell der Arbeitsmarkt schlecht
eingeschätzt wird, aber nicht katastrophal.
In der fünften Frage (offene Frage) wurde nach Bereichen
gefragt, in denen eine Überschussnachfrage bzw. ein
Überschussangebot an Medizinern besteht.
Hier einige Statements, die häufiger fielen:
alle Stellen in Krankenhäusern und
Instituten überlaufen (Flaschenhals AiP)
freie Stellen für Anfänger noch in
Arztpraxen, Reh und Psychosomatischen Kliniken sowie in
England , GB und Dänemark
auf Facharztniveau gibt es noch einige
freie Praxen im ländlichen Bereich
Mediziner drängen zunehmend in
fachfremde Berufe (Lektorat, Journalismus,
Pharmavertretung, allerdings kleiner Markt)
Überschussnachfrage in Psychiatrie,
Geriatrie, klinischer Forschung, Allgemeinarzt, Amtsarzt,
Proktologie
Überschussangebot in Gynäkologie,
Innere Medizin , Pädiatrie, Chirurgie, HNO
zu viele alte niedergelassene Ärzte, die
nicht in Rente gehen wollen
In der sechsten Frage wurden Fragen zur Nutzung
des Mediums Internet gestellt.
Die Frage, ob überhaupt Internet als Medium verwendet wird,
wurde von
61 % mit JA
beantwortet.
Bei denjenigen, die das Internet nutzen, ergab
sich eine durchschnittliche Surfdauer pro Woche von 2,8
Stunden. Pro Sitzung wurde im Durchschnit 0,8 Stunden gesurft.
Alle Medizinstudenten (dieser Umfrage), die Internet nutzen,
haben ihren Netzzugang über die UNI.
Die siebte Frage sollte darüber Aufschluss geben, für welche
Bereiche die Medizinstudenten einen medizinischen online-Dienst
im Internet nutzen würden.
Chart 7, Interessante Bereiche eines medizinischen
online-Dienstes im Internet
Interessant an dieser Analyse ist, dass die Jobsuche einen hohen
Stellenwert bei den Medizinstudenten einnimmt.
Die anderen Bereiche wurden wie folgt angegeben:
- Info-Austausch
- fachübergreifende Infos
- Fachschaft
- Informationen (Versicherung, Bafög, Soziales)
In der letzten offenen Frage wurde nach der Akzeptanz einer
theoretischen ersten Kontaktaufnahme mit einem Arbeitgeber über
das Internet gefragt.
Hier einige Statements, die eine Meinungstendenz erkennen lassen:
- theoretisch gut, aber aufgrund des kaum zu realisierenden
Datenschutzes problematisch
- für Inlandsfragen unnötig, für Auslandsfragen sinnvoll
- Infomaterial OK, Kontaktaufnahme eher persönlich
- OK, Chefärzte wahrscheinlich zu verkrustet
- eigentlich effektiv - OK
- gute Möglichkeit, würde davon Gebrauch machen , muss es
erst lernen (Medizinstudentin ohne Internet-Kenntnisse)
- keine Initiativbewerbung, aber auf Angebote reagieren
Bezüglich der Internet-Nutzung ist zusammenfassend
festzustellen, dass die Akzeptanz eines medizinischen
online-Dienstes hoch ist, und vor allem aus Gründen der Jobsuche
genutzt würde.
Sehr sensibel reagieren Medizinstudente auf kommerzielle
Angebote. Als Erklärung kann die generelle studentische
Einstellung zu Fragen des Kommerzes dienen.
Die Auswertung hat ergeben, dass für Stellen während des
Studiums (Praktika/Famulatur) die Studenten Eigeninitiative
ergreifen, bei Stellen für junge examinierte Mediziner aber auf
Intermediäre zurückgegriffen wird.
Auffällig ist auch, dass es grosse geographische Unterschiede
innerhalb Deutschlands in der Internetnutzung gibt. In den neuen
Bundesländern ist das Internet noch weitgehend unbekannt bzw.
wird nur sehr selten von den Studenten genutzt. Die
Ballungszentren und Grossstädte weisen eine sehr hohe
Nutzungsquote auf.
Zu bedenken hierbei ist allerdings, dass das Internet eines der
am schnellsten wachsenden Medien ist und die hier
veröffentlichten Informationen sehr schnell veralten.
Die Umfrage hat ergeben, dass das Internet bei den Studenten
schon als Informationsmedium etabliert ist und auch weiterhin an
Bedeutung gewinnen wird.
Für die Personalveratnwortlichen und Personalberater ist von
grosser Bedeutung, dass die Jobsuche auch im Internet von den
Studenten begrüsst und beinahe erwartetÒ wird. Es ist
daher von strategischer Wichtigkeit, eine imagewirksame Präsenz
im Internet zu schaffen, in der Mediziner sich über Arbeitgeber,
Personalberater informieren können und andere
Informationsquellen nutzen können. Langfristig wird damit auch
die Besetzung von Führungspersonal im medizinischen Bereich mit
dem Medium Internet erfolgen.
<<ENDE>>
| |
|