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SZonNet, 17.11.1998

Der Dirigent im Konzert der Zellen
Wissenschaftler entschlüsseln, was Herz und Hirn im richtigen Rhythmus hält.

Nervenzellen senden pulsierende Signale aus.

Gleichmäßig spannen und entspannen sich die Muskelzellen des Herzens. Auch Nervenzellen senden pulsierende Signale aus. Wer dabei den Takt angibt, war lange unklar. Doch kürzlich haben mehrere Arbeitsgruppen den Dirigenten im Konzert der Zellen identifiziert.

 

Andreas Ludwig und Kollegen entdecken einen Ionenkanal. Zunächst war nur klar: Ein Ionenkanal mit speziellen Talenten bestimmt den Rhythmus. Durch solche Öffnungen in der Membran steht das Zellinnere mit der Außenwelt in Kontakt. Die röhrenartigen Moleküle, die diese Poren bilden, kontrollieren den Ein- und Ausstrom von geladenen Teilchen (Ionen). In Herz und Hirn von Mäusen haben Andreas Ludwig und seine Kollegen von der Technischen Universität München den ungewöhnlichen Ionenkanal entdeckt.

 

Das Kanalmolekül ist "funny".

Schon seit langem hatten Wissenschaftler an Zellen mit rhythmischer Aktivität einen besonderen Ionenstrom festgestellt. Während gewöhnliche Kanäle sich öffnen, wenn die Spannung zwischen Innen- und Außenseite der Zellmembran sinkt, sind die Verhältnisse dort genau umgekehrt: Die Öffnung ist nur dann durchlässig, wenn die Spannung über eine bestimmte Schwelle steigt. Durch den Einstrom von Natrium- und Kaliumionen gleicht sich der Ladungsunterschied aus, und der Kanal schließt die Tore. Wenn daraufhin die Spannung wieder ansteigt, öffnet er sich erneut – er pulsiert. Die Forscher verpaßten dem ungewöhnlichen Kanalmolekül die Bezeichnung „funny“, also seltsam.

 

Auch chemische Signale wirken auf die Schleusen. Doch der Taktmeister reagiert nicht nur auf elektrische Signale, sondern wird außerdem durch chemische Botenstoffe beeinflußt. Ähnliche Regelungsmechanismen gibt es auch bei anderen Ionenkanälen. Sogar Fettmoleküle können beeinflussen, wie empfindlich die Schleusen auf die Befehle „öffnen“ und „schließen“ reagieren, wie Wissenschaftler der Universität Tübingen sowie eine amerikanische Arbeitsgruppe berichten (Science, Bd. 282, S. 1138 und 1141, 1998).

 

Das Gen für den Taktgeber wurde isoliert.

Ludwig und Kollegen entdeckten bei ihrem röhrenförmigen Dirigentenmolekül einen Fühler, der auf Spannungsunterschiede reagiert und gleichzeitig eine Region, die Signalmoleküle binden kann. Es gelang den Forschern, das Gen für diesen Taktgeber zu isolieren und in Zellkulturen menschlicher Zellen einzubauen. Prompt produzierten diese einen Ionenkanal mit den gesuchten Eigenschaften: Wurde die Spannung zwischen Innen und Außen erhöht, strömten Natrium- und Kaliumionen in die Zelle. Signalmoleküle beschleunigten den Einstrom (Nature, Bd. 393, S. 587, 1998).

 

Gibt es eine ganze Familien von "Taktgenen"? Da die Münchner Forscher im Hirngewebe zwei weitere, ähnliche Gene nachwiesen, nehmen sie an, daß es sich um eine ganze Familie solcher Kanäle handelt. Wissenschaftler der Columbia-Universität in New York kamen zu dem gleichen Ergebnis: Sie identifizierten die Schrittmacher-Moleküle ebenfalls in Hirn- und Herzmuskelzellen von Labormäusen. Darüber hinaus fand das von den Neurowissenschaftlern Steven Siegelbaum und Eric Kandel geleitete Team verwandte Gene auch in menschlichen Zellen (Cell, Bd. 93, S. 717, 1998).

 

In der Natur kommen solche taktgebenden Moleküle häufiger vor.

Ergebnisse einer Arbeitsgruppe des Forschungszentrums Jülich schließlich zeigen: Solche Schrittmacher-Moleküle sind keine besonders neue Erfindung der Natur. Die Arbeitsgruppe um Benjamin Kaupp berichtet über gleichartige Ionenkanäle, die sie in den Spermien von Seeigeln fand (Nature, Bd. 393, S. 583, 1998). „Der Rhythmus, bei dem jeder mit muß“ ist offenbar für unterschiedliche Zellen von Bedeutung.

 

Wenn der Takt verloren geht - Chancen für neue Therapien nutzen. Wenn die Zellen aus dem Takt geraten, kann es zu Herzrhythmusstörungen oder Fehlern bei der Weiterleitung von Schmerzsignalen kommen. Eric Kandel vermutet zudem, daß epileptische Anfälle auf diese Weise ausgelöst werden können. In der Tatsache, daß der entdeckte röhrenförmige Taktgeber in der Natur so universell eingesetzt wird, sehen die Forscher auch gute Chancen für vielfältige Therapien: Wenn sie die molekularen Mechanismen aufklären, die den Rhythmus vieler Zellen bestimmen, könnten sich aus der Reihe tanzende Schlagzeuger wieder in den richtigen Takt bringen lassen.

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